Kultur Gewinn

Für eine nachhaltige Kulturförderung in der Schweiz – oder: was bedeutet «Gewinn» in der Kulturarbeit?

Sehr geehrte Damen und Herren

Die aktuelle Corona-Krise betrifft sämtliche Akteure im Kulturbereich sehr direkt. Auch die Kulturförderung ist gefordert und vorab gilt es allen entsprechend verantwortlichen Stellen der Kulturförderung für ihre grundsätzliche Offenheit, Hilfsbereitschaft und die bereits getroffenen Massnahmen zu danken.

Allerdings wird auch bei der finanziellen Unterstützung in dieser Krise (z.B. bei der Beantragung möglicher Ausfallentschädigungen) einmal mehr zwischen «gewinnorientierten» und «nicht-gewinnorientierten» Kulturunternehmen unterschieden. Eine à fonds perdu-Unterstützung soll lediglich den nicht-gewinnorientierten Kulturunternehmen und -akteur*innen zukommen. Die Unterscheidung betrifft die Akteure sehr unterschiedlich. Als Beispiel sei der Bereich Literatur/ Buchkultur erwähnt: hier können zwar Autor*innen, Übersetzer*innen oder Literaturvermittler*innen entsprechende Ausfallentschädigungen beantragen. Ausfallentschädigungen nicht beantragen dürfen Verlage, Buchhandlungen oder Druckereien (und wenn, dann je nach Kanton allenfalls für Veranstaltungen). Diese Unterscheidung wird ausgerechnet auch in dieser, für den gesamten Kulturbereich existenziellen, Krise gemacht. Wir halten diese Unterscheidung für unverständlich und unverantwortlich.

Gewinne für die Kultur realisieren

Angesichts der im Kulturbereich faktisch äusserst engen Verflechtung aller Akteur*innen und mit Blick auf die realen Abläufe und Abhängigkeiten in einem wirtschaftlichen Ökosystem der Kultur sind solche Unterscheidungen aus unserer Sicht weder richtig noch zielführend. „Kulturschaffende“ und „Kulturunternehmen“ auf diese Weise zu differenzieren ist zwar administrativ-juristisch nachvollziehbar, entspricht aber nicht den realen Gegebenheiten, Verflechtungen und Herausforderungen in der Kulturarbeit.

Wir sind überzeugt davon, dass die überwiegende Mehrheit der Kulturunternehmen in diesem Lande – egal ob teil-subventioniert oder privatwirtschaftlich finanziert, egal ob Theater- oder Konzertveranstalter, Verlage, Agenturen oder Verleiher – kaum reale Gewinne im Sinne einer echten Nettorendite («Dividenden» etc.) für ihre Leitungspersonen, Eigentümer oder Anteilseigner*innen erwirtschaften. Die tatsächlich ab und zu in einem guten Betriebsjahr erwirtschafteten Gewinne werden hingegen praktisch überall reinvestiert in neue Projekte, Kulturprodukte oder die Infrastruktur, die es braucht, um die Kulturprodukte überhaupt vermitteln, kommunizieren, vertreiben oder auch verkaufen zu können. Die erwirtschafteten Gewinne werden also für die Kultur realisiert.

Für eine offene Diskussion über eine nachhaltige Kulturförderung

Ohne ebendiese «gewinnorientierten» Akteure und Kulturunternehmen (Agenturen, Verlage, Galerien etc.) können Schriftsteller*innen ihre Bücher nicht realisieren oder verkaufen und keine Lesungen oder andere Promotionen machen, Musiker*innen finden keine Auftrittsmöglichkeiten, Schauspieler*innen keine Bühnen, Bildende Künstler*innen keine Käufer*innen oder kein Publikum und so weiter.

Wir fordern die zuständigen Stellen der öffentlichen Kulturförderung in der Schweiz auf, nach der Bewältigung der aktuellen Krise mit den Verbänden der betroffenen (eben auch den gewinnorientierten) Kulturunternehmen in eine offene Diskussion darüber einzutreten, wie die öffentliche Kulturförderung den speziellen Bedingungen des «Kulturmarktes» gerechter werden kann. Dazu gehört die Frage, wie neben der Kreation und Produktion eben auch die gesamten Umsetzungs-, Vermittlungs- und Vertriebsleistungen von Kunst- und Kulturgut angemessen gewürdigt und gefördert werden können. Erst so wird Kultur nachhaltig gefördert.

Für Soforthilfe für alle Kulturunternehmen

Zudem bitten wir den Bundesrat und die Leitungsgremien der öffentlichen Kulturförderung in dieser Krise um angemessene à fonds perdu-Entschädigungen für alle Kulturunternehmen – also auch für Konzertveranstalter, Booking- und Künstler*innenagenturen, Verlage, Buch-/Medienhandlungen, Plakat-/Flyeragenturen, Gamestudios, Galerien usw. Erst so wird das Überleben des reichen Kulturschaffens in der Schweiz gesichert.

Mit herzlichem Dank und freundlichen Grüssen,
Die unterzeichnenden Kulturunternehmer*innen, Kunstschaffenden und Unterstützer*innen